„Wir haben ein gutes Produkt auf dem Markt“
Ein Gespräch mit Stabsfeldwebel Michael Kiebach, Lotse für Einsatzgeschädigte
Von M.H.
Wenn Soldatinnen und Soldaten körperlich oder seelisch geschädigt aus dem Auslandseinsatz zurückkehren, sind sie häufig auf Unterstützung angewiesen. Daher werden im Zentrum Innere Führung (ZInFü) in Koblenz Lotsinnen und Lotsen ausgebildet, um den Betroffenen und ihren Angehörigen Beistand „auf Augenhöhe“ anzubieten.
Das im ZInFü entwickelte Ausbildungskonzept für Lotsinnen und Lotsen umfasst neben den für die Tätigkeit erforderlichen psychologischen Kompetenzen eine Einführung in das umfangreiche Organisationsnetzwerk der Hilfe und in die rechtlichen sowie ministeriellen Grundlagen. Für bereits Ausgebildete besteht ein regelmäßiges Fortbildungsangebot mit den Schwerpunkten Erfahrungsaustausch, Psychohygiene und einem jeweils neu zu wählenden Thema der Weiterqualifizierung. In einem Turnus von zwei Jahren werden Aktive zu einer Tagung eingeladen, die der Behandlung aktueller Themen aus dem Interessensgebiet der Teilnehmenden dient.
Mit Stabsfeldwebel Michael Kiebach, langjährig erfahrener Lotse für Einsatzgeschädigte, konnten wir einen kompetenten Ansprechpartner für unsere Fragen rund um seine Tätigkeit gewinnen.
Worin bestehen die allgemeinen Zuständigkeitsbereiche der Lotsinnen und Lotsen innerhalb der Bundeswehr und wer gehört zum berechtigten Personenkreis für die Inanspruchnahme dieses Angebots?
Lotsinnen und Lotsen stehen einsatzgeschädigten Bundeswehrangehörigen sowie dem weiteren berechtigten Personenkreis als niedrigschwellig ansprechbare Personen in Dienststellen der Bundeswehr zur Verfügung. Sie kennen Hilfs-, Beratungs- und Unterstützungsangebote für Einsatzgeschädigte innerhalb und außerhalb der Bundeswehr sowie deren Zusammenwirken. Sie informieren Einsatzgeschädigte über die fachlichen Ansprechstellen, unterstützen bei der Kontaktaufnahme und begleiten sie auf ihrem Weg durch die Hilfsinstitutionen. Lotsinnen und Lotsen unterstützen damit die Vorgesetzten, ihre Fürsorgeverpflichtung für die ihnen unterstellten Soldatinnen und Soldaten wahrzunehmen.
Lotsinnen und Lotsen unterstützen psychisch und/oder physisch einsatzgeschädigte aktive und ehemalige Bundeswehrangehörige. Sie stehen im Rahmen freier Kapazitäten auch im Betrieb Basis Inland verunfallten sowie sonstig verunfallten oder erkrankten Bundeswehrangehörigen als Ansprechpartner/in zur Verfügung. Familienangehörige und weitere Bezugspersonen der Betroffenen können bei Bedarf in die Unterstützung durch Lotsinnen und Lotsen einbezogen werden.
In welchen konkreten Fällen kommen Sie als Lotse zum Einsatz?
Im Rahmen meiner Tätigkeit als Lotse betreue ich Einsatzgeschädigte oder Erkrankte, die aus anderen Dienststellen in mein Regiment versetzt wurden oder wenn im eigenen Verband keine Lotsinnen und Lotsen verfügbar sind. Hier können wir sie in den Dienst integrieren und trotzdem weiter behandeln. Des Weiteren unterstütze ich die Angehörigen unserer in Mali abgestürzten Piloten.
Wie viele Lotsinnen und Lotsen gibt es bundesweit und wie können Betroffene, ggf. auch kurzfristig, mit ihnen in Kontakt treten?
Die Anzahl in der Bundeswehr kann ich Ihnen nicht sagen, im Heer sind es ca. 256 Ausgebildete und davon 195 Aktive. Nicht alle Aktiven werden zur Betreuung oder in ihrer Funktion eingesetzt. Alle werden in der Lotsin/Lotse-Ansprechstelle Heer gelistet, dort können Ansprechpartner/innen für den jeweiligen Bereich gefunden werden. Weiterhin gibt es mögliche Anlaufstellen und Informationen im Internet und Intranet sowie auf der Homepage von Verbänden. Die Kontaktaufnahme erfolgt in der Regel telefonisch und geht dann in ein erstes Gespräch über.
Warum haben Sie sich für eine Tätigkeit als Lotse entschieden?
Durch meine eigene Erfahrung musste ich damals feststellen, dass ein einsatzgeschädigter Soldat mit einer psychischen Erkrankung in vielen Fällen nicht wahr/ernst genommen wurde/wird. Hilfsangebote blieben aus und zur damaligen Zeit galt es als eine Schwäche, so erkrankt zu sein. Wenn dann Vorgesetzte die Fürsorge für den Erkrankten vergessen und keine Hilfsangebote kennen, bricht das „Gerüst“ für Erkrankte zusammen. Das wollte ich so nicht akzeptieren und konnte schnell den Lehrgang besuchen. Für mich ist es als Lotse wichtig, Menschen, die mit und für die Bundeswehr leben, die notwendige Anerkennung und Hilfe zukommen zu lassen und sie auf dem Weg der Gesundung zu begleiten.
Es gibt noch einige Baustellen im Bereich Einsatzschädigung, aber man muss auch ganz klar sagen, wir - die Bundeswehr - sind besser geworden und haben ein gutes Produkt auf dem Markt.