Mit Gotti ins ursprüngliche Südtirol

09. August 2022 Reiseangebot Bereich Nord Bereich Ost Bereich Süd Bereich West

Der Bergführer bietet individuelle Touren rund um Meran an, zum Beispiel vom Hotel „360 Grad“ aus

Von Helmut Michelis

Die Wanderer auf dem Weg zum Partschinser Wasserfall bleiben verzückt stehen, als Gottfried Gurschler ein südtirolerisches Volkslied auf seinem Akkordeon anstimmt. Dabei geht es eigentlich nur um ein attraktives Foto für das Magazin des Bundeswehr-Sozialwerks (BwSW). Schließlich gilt der mächtige Wasserfall als einer der schönsten im gesamten Alpenraum – genau die passende Kulisse für den 60-Jährigen. Denn die gestellte Szene ist durchaus echt: Der Berg- und Touristenführer und leidenschaftliche Bergsteiger gehört in diese Landschaft und liebt sie. Mit viel Herz führt er Besucher durch seine Heimat und zeigt ihnen Orte, „die sie allein nie gefunden hätten. Ich wandere nicht dort, wo der starke Tourismus vertreten ist. Und jedes Tal ist hier komplett anders.“

Bei seinen Touren zum Beispiel ins Ultental – „da ist die Zeit stehengeblieben“ – spendiert er auch mal ein Schnäpschen aus der Region für „seine“ Wandergruppen, die zum Beispiel im Hotel „360 Grad“ des BwSW in Meran ihre Ferien verbringen und mehr über das ursprüngliche Südtirol wissen möchten. „Ich zeige das Urige und Traditionelle“, sagt Gurschler und bietet unter anderem eine Genusstour an: auf einen Bauernhof mit Metzgerei, wo noch selbst geschlachtet wird und frischer Ziegenkäse auf die Hungrigen wartet. Oder er lädt am Wasserfall zur Marende ein, einer deftigen Zwischenmahlzeit mit Speck und Brot, dazu ein Glas Weißwein.

Gotti, wie er allgemein genannt wird, bezeichnet sich selbst als „Nachbar von Ötzi“, was nicht scherzhaft gemeint ist: Der berühmte Mann aus dem Eis, eine Mumie aus der Steinzeit, wurde 1991 in mehr als 3.200 Meter ganz in der Nähe des Schnalstals gefunden. Dort ist Gurschler zur Welt gekommen. Er lebt auf dem Finailhof, in 2.000 Meter Höhe der höchste Getreidehof Europas, der bereits im 11. Jahrhundert erstmals erwähnt worden ist. „Die Schafe weiden hier seit bereits 1.500 Jahren. Man muss sich einmal vorstellen, wie beschwerlich damals die Arbeit in dieser extremen Höhe, bei diesen steilen Hängen gewesen ist“, beschreibt Gotti das entbehrungsreiche Leben der Bergbauern. „Maschinen gab es noch nicht, alles war Handarbeit.“

Heute leben und arbeiten auf dem Hof vier Generationen der Familie Gurschler. Der Südtiroler zeigt nicht ohne Stolz das Foto einer hübschen jungen Frau – seine Tochter Margarete. „Sie hat sich dafür entschieden, ebenfalls als Sennerin zu leben und ist eine Kräuterexpertin.“ Es habe sich allgemein etwas getan in den letzten drei bis vier Jahren: „Die jungen Leute kehren wieder zurück auf die Alm, suchen das Ursprüngliche, das Natürliche.“ Mit der Natur in Einklang leben, sie nicht zerstören, das ist Gurschlers Botschaft. „Warum muss eine Kuh 50 Liter Milch geben? Das ist doch nicht normal.“ Auch für die Wellness-Angebote, die manche modernen Hotels „indoor“ anbieten, hat er kein Verständnis. Er rät allen Gästen: „Geht in die Luft hinaus!“

So ein bodenständiger Südtiroler wird doch niemals seine Heimat verlassen haben, vermutet man – und liegt gründlich falsch. Der 60-Jährige hat bereits ein bewegtes Leben als Kellner, Busfahrer und Skiverkäufer hinter sich, bis er sich 2010 als Touristenführer selbstständig gemacht hat. 2013 reiste Gotti erstmals nach Indien und kümmert sich seitdem insbesondere um Flüchtlingskinder aus Tibet und Nepal – bepackt mit einem 50 Kilo schweren Rucksack und unterwegs über die schmalen, schwindelerregenden Pfade der Mount-Everest-Region. Das mutet er den Touristen in Südtirol natürlich nicht zu. „In den letzten 20 Jahren ist hier viel in Wanderwegen, Straßen und Seilbahnen investiert worden“, sagt Gotti. Seine Touren passt er individuell an: Es können auch entspannte Routen entlang der Waalwege sein, historische Bewässerungswege ins Tal, die nur sanft bergab gehen und faszinierende Ausblicke ermöglichen. Oder er fährt zur eigentümlichen Welt des Dursterhofs, wo die Familie Oberperfler in jahrelanger Arbeit im wahrsten Wortsinn Stein auf Stein getürmt und inzwischen eine originelle Jausenstation für Wanderer inklusive Ferienwohnungen eröffnet hat. Seit nunmehr 22 Jahren baut Stefan Oberperfler bereits an seinem kleinen Reich aus Schiefer, Gneis und Granit und wird wohl niemals fertig. Man sollte es gesehen haben ­– wie die Südtiroler Tierwelt mit Gemsen, Murmeltieren oder seltenen Raubvögeln, auf deren Spuren Gotti ebenfalls führen kann. „Wir sind die reichste Region Italiens und so vielfältig.“

Wer direkt mit dem Tourguide Kontakt aufnehmen mag: Gottfried Gurschler, Romstraße 237/a, I-39012 Meran (BZ), Italien.