Im Gespräch mit dem Beauftragten PTBS
Fünf Fragen an Generalarzt Dr. Hoffmann
Von Stefan Schäfer
Nach Verwendungen unter anderem als Kommandeur des Kommandos Schnelle Einsatzkräfte Sanitätsdienst in Leer, als Chef des Stabes Kommando Sanitätsdienstliche Einsatzunterstützung in Weißenfels und zuletzt als Kommandeur und Ärztlicher Direktor im Bundeswehr-Krankenhaus Ulm ist Generalarzt Dr. med. Ralf Hoffmann (57) seit Februar 2020 der „Beauftragte des Bundesministeriums der Verteidigung für einsatzbedingte posttraumatische Belastungsstörungen und Einsatztraumatisierte“ (Beauftr PTBS).
Über seine Herausforderungen und Erfahrungen in dieser Verwendung, seine Ziele für die nächsten Jahre und die Frage, ob und wie das Bundeswehr-Sozialwerk (BwSW) ihn dabei unterstützen kann, hat sich der Stellvertretende Bundesvorsitzende des BwSW, Ministerialrat Stefan Schäfer, mit dem Generalarzt in Berlin unterhalten.

Herr Generalarzt, Sie sind seit Februar 2020 der „Beauftragte PTBS“. Zuvor waren Sie in mehreren Verwendungen als Kommandeur jeweils für Hunderte von Soldatinnen und Soldaten verantwortlich. Hat Ihre jetzige Aufgabe – trotz ihrer langjährigen Führungserfahrung – Ihren Blick auf das Thema PTBS verändert oder geschärft?
Die Frage könnte ich mit einem „Ja“ direkt und kurz beantworten, will dieses aber gerne etwas ausführlicher erläutern:
Natürlich habe ich schon während meiner ärztlichen Tätigkeit bereits Einiges über Traumafolgestörungen gelernt und auch im Laufe meiner Verwendungen gerade als Disziplinarvorgesetzter immer damit zu tun gehabt; aber insbesondere der intensive Austausch mit Betroffenen hat meine Sichtweise auf die einsatzgeschädigte Erkrankung verändert. Wenn ich heute auf meine letzten Verwendungen zurückblicke, so muss ich feststellen, dass ich mich als Vorgesetzter nicht immer aktiv genug um meine einsatzgeschädigten und langzeiterkrankten Soldatinnen und Soldaten gekümmert habe. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind aber das Wichtigste, was wir haben und ein wichtiger Teil des Führens ist die Fürsorge, insbesondere wenn es um Kameradinnen und Kameraden geht, die im Einsatz traumatisiert wurden. Sie verdienen unsere besondere Wertschätzung!
Derzeit sind nahezu 2000 Menschen in der Bundeswehr in irgendeiner Form von PTBS betroffen. Lassen diese Fälle sich kategorisieren? Gibt es Schwerpunkte oder typische Erscheinungsformen?
Eine Kategorisierung der PTBS ist nur bedingt sinnvoll, da die Krankheitsverläufe zum Teil doch sehr unterschiedlich sind. Daher steht bei den allermeisten psychisch Einsatzgeschädigten die Diagnose „Psychische Anpassungsstörung“ als Überbegriff.
Man kann jedoch insoweit differenzieren, dass es diejenigen gibt, die sich rechtzeitig Hilfe suchen und in der Regel leichter zu behandeln sind und diejenigen, die sich häufig erst nach Jahren hilfesuchend an ihren Arzt wenden und die aufgrund der Chronifizierung der Erkrankung dann eine echte Herausforderung für die Therapie darstellen. Als Beauftragter PTBS weise ich daher immer wieder darauf hin, dass man sich schnell Hilfe suchen sollte, wenn man bei sich oder andere bei einem selbst Wesensveränderungen nach einem Einsatz feststellen.
Davon ist dann noch einmal die moralische Verletzung - moral injury - als Ursache für psychische Folgeschäden abzugrenzen, die eine Sonderform darstellt und erst in den letzten Jahren umfassender zum Beispiel durch das Psychotraumazentrum der Bundeswehr erforscht wurde und noch wird.
Was können Sie für Soldatinnen und Soldaten tun, wenn diese sich hilfesuchend an Sie wenden?
Als Beauftragter PTBS habe ich im militärischen Umfeld eine Sonderrolle. Das Amt des Beauftragten PTBS steht außerhalb der militärischen Linie, mit dem Amt ist keine eigene fachliche Zuständigkeit verbunden. Wir entscheiden also nichts, können aber, wenn sich Einsatzgeschädigte an uns wenden, auf allen Ebenen prüfen, ob und wo es Handlungsbedarf gibt, um die Versorgung und Wiedereingliederung der einsatzgeschädigten Soldatinnen und Soldaten zu verbessern. Dabei nehmen wir häufig eine vermittelnde Rolle als Ombudsperson ein, um gemeinsam mit den zuständigen Stellen nach pragmatischen Lösungen im Sinne der Betroffenen zu suchen.
Uns hilft die fachliche Unabhängigkeit insoweit, als sie meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen ganzheitlichen Blick auf alle Verfahren und Versorgungsstrukturen ermöglicht.
Mir kommt es dabei besonders darauf an, immer wieder proaktiv Impulse zu setzen, um selbstkritisch unsere Regelungen und Verfahren zu hinterfragen und Weiterentwicklungen, wie zum Beispiel die Einbindung von Familienangehörigen in die Therapie zu verbessern, Bundeswehr-interne Therapiemöglichkeiten zu optimieren und einen ganzheitlichen Präventionsansatz im Sinne der Stärkung der psychischen Fitness zur Umsetzung zu bringen. Am Ende zählt dabei nur, was auch konkret stattfindet, denn nur das bringt uns voran, lindert das Leid der Betroffenen und verringert die Zahl zukünftig Betroffener.
Ich möchte hier aber ausdrücklich auch noch einmal darauf hinweisen, dass wir uns auch als Beratende der militärischen Führung verstehen. Die Verfahren und Regelungen zur Versorgung und Wiedereingliederung der einsatzgeschädigten Soldatinnen und Soldaten sind komplex und wir stehen bei möglichen Fragen natürlich auch beratend allen Vorgesetzten im Vorfeld von Entscheidungen zur Verfügung. So konnte in der Vergangenheit schon manches Missverständnis verhindert und manches Problem frühzeitig gelöst werden.
Was gibt es aus Ihrer Sicht für Wege zur Prävention von PTBS? Können Sie dazu der militärischen Führerung Ratschläge geben? Was raten Sie der Bundeswehr?
Die Prävention psychischer Folgen von Traumatisierungen beruht auf den unterschiedlichsten Maßnahmen. Dabei haben sich drei Faktoren als wesentlich für die psychische Fitness und damit für die Reduzierung der Anfälligkeit bei Krisensituationen herausgestellt:
- das private Umfeld mit Familie und Freunden,
- das dienstliche Umfeld und der Kameradenkreis sowie
- die persönliche Fähigkeit, mit Stress in Krisensituationen umzugehen.
In der Abteilung Führung Streitkräfte wird dazu gerade eine Vorschrift erarbeitet, die sicherstellen soll, dass in allen drei Bereichen konkret gehandelt wird. Ich würde es sehr begrüßen, wenn alle Vorgesetzten in der Bundeswehr diesen umfassenden Ansatz für Fitness als eine Möglichkeit zur Erhöhung der Einsatzbereitschaft ihrer anvertrauten Soldatinnen und Soldaten verstehen und diese durch regelmäßige Trainings auch im Bereich der psychischen Fitness unterstützen würden.
Für uns als Bundeswehr-Sozialwerk ist natürlich die Frage besonders wichtig: Wie können wir bei Ihrer Arbeit künftig verstärkt an Ihrer Seite stehen?
Zunächst möchte ich mich erst einmal für die bisherige Arbeit und Unterstützung des Bundeswehr-Sozialwerkes für einsatzgeschädigte Soldatinnen und Soldaten und deren Familien ganz herzlich bedanken. Die Möglichkeit, mich auch seitens des Beauftragten PTBS an Sie wenden zu können, um in Not befindlichen einsatzgeschädigten Kameradinnen und Kameraden prompt und unkompliziert zu unterstützen, ist eine große Hilfe. Maßnahmen, wie z.B. die Unterstützung mit Urlaubsgutscheinen für betroffene Familien oder die Unterstützung bei Familienwochenenden sind oft ein Lichtblick in ansonsten trüben Zeiten!
Auch die jetzt neu geschaffene Möglichkeit für eine Auszeit für einsatzgeschädigte Soldatinnen und Soldaten und deren Familien in Oberwiesenthal finde ich großartig!
Insoweit freue ich mich auf die weitere Zusammenarbeit mit dem Bundeswehr-Sozialwerk für die Einsatzgeschädigten, den direkten Draht zu Ihnen und das gemeinsame Verständnis der Fürsorge für diejenigen, die es besonders tragisch getroffen hat.
Herr Generalarzt, ich danke Ihnen für dieses Gespräch. Ich wünsche Ihnen im Namen des BwSW und, mehr noch, im Interesse der Ihnen anvertrauten Betroffenen, viel Glück und Erfolg bei Ihrer Tätigkeit. Wo immer es möglich ist, wird Sie das BwSW gern unterstützen.
Info
Beauftragter des BMVg für einsatzbedingte posttraumatische Belastungsstörungen und Einsatztraumatisierte
Seit dem 24. November 2010 berät ein Beauftragter PTBS die Leitung des BMVg und unterbreitet Vorschläge, wie in der Bundeswehr die Prävention, die Behandlung, Betreuung und Versorgung von Einsatzgeschädigten verbessert werden kann. Darüber hinaus bietet der Beauftragter PTBS mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Hilfe und Beratung für Einsatzgeschädigte.
Weitere Auskünfte und Hilfe
Bei Fragen zum Einsatzweiterverwendungsgesetz:
- Zentrale Ansprech-, Leit- und Koordinierungsstelle für Einsatzgeschädigte im Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr, Tel.: 02241 15 - 3368
Ihren örtlichen Sozialdienst finden Sie im Sozialdienstverzeichnis hier:
- www.Sozialdienst.bundeswehr.de
Seelsorgerische Begleitung von unter Einsatzfolgen leidenden Menschen:
- per Email: Christian18Fischer@Bundeswehr.org
- per Tel.: 0173 - 879 7653
Den Beauftragten des BMVg für posttraumatische Belastungsstörungen und Einsatzgeschädigte erreichen Sie:
- per Email: BMVgBeauftrPTBS@BMVg.Bund.de
- per Tel.: 030 - 2004 - 23041
Bei Fragen rund um medizinische Behandlung/ Unterstützung finden Sie Hilfe bei:
- Ärztlicher Bereitschaftsdienst der Bundeswehr außerhalb der Dienstzeit: Tel.: 0800 972 63 78
- Ihrem Truppenarzt/ Ihrer Truppenärztin
- PTBS-Hotline: 0800 - 5887957
Umfassende Informationen finden Sie unter: www.PTBS-Hilfe.de