Haus Norderoog im Dornröschenschlaf

11. Februar 2021 News Bereich Nord Bereich Ost Bereich Süd Bereich West

Corona sorgt für Stille auf der Insel / Das Jubiläum wird im Oktober nachgefeiert

von Helmut Michelis

Kalter Wind fegt über das „Haus Norderoog“ auf Norderney, vereinzelte Schneeflocken tänzeln in der Luft, auf den Gehwegen ist es glatt. Eingefroren ist auch ein ungewöhnliches Jubiläum: Das erste bundeseigene Erholungsheim ist seit stolzen 60 Jahren im Besitz des Bundeswehr-Sozialwerks. Doch rund um dieses besondere Datum ist es auf der gesamten Insel zurzeit menschenleer und ungewöhnlich still. Und auch die beliebte Ferienanlage des Bundeswehr-Sozialwerks ruht in einem von der Pandemie erzwungenen Dornröschenschlaf.

Die Winterpause gilt indes nicht für manche Mitarbeiter: Schrille Schleifgeräusche dringen aus dem markanten Gebäude am Hafen, dessen rotes Ziegeldach bereits weit draußen von der Fähre aus zu sehen ist. Handwerker tauschen gerade den Teppichboden im Bar- und Aufenthaltsbereich aus, irgendwo ist ein neuer Anstrich fällig – große und kleine Ausbesserungsarbeiten, die generell in diesen Tagen eingeplant werden. „Wir hätten um diese Jahreszeit ohnehin geschlossen“, berichtet das Gastgeber-Ehepaar Thomas Beyer und Corinna Brehmer-Beyer. Die beiden Geschäftsführer können es nicht erwarten, endlich wieder öffnen zu dürfen. Die üblichen „Karnevals-Flüchtlinge“ vor allem aus Nordrhein-Westfalen müssten jedoch diesmal wegen Corona daheimbleiben.

„Schade, dass durch die Pandemie die stimmungsvollen Tage zu Weihnachten und Silvester ausgefallen sind. Das war für die Gäste und uns immer etwas Besonderes“, meint in der blitzblanken Küche der Auszubildende Keno Winkelmann. Er ringt der unbefriedigenden Situation schnell noch eine positive Seite ab: „Wegen Corona durften wir im vergangenen Jahr kein Büffet mehr anbieten, sondern mussten am Vortag bestellte Speisen am Tisch servieren, um enge Kontakte zu vermeiden. Das verschafft uns immerhin einen besseren Überblick und hilft uns, Abfälle zu reduzieren.“

Mit Humor nimmt es Hausmeister Erhard von Westernhagen, während er noch einmal die Beleuchtung auf den 68 Zimmern und in den drei Ferienwohnungen kontrolliert – für die Gäste ist doch eigentlich längst alles perfekt vorbereitet. „Wir haben den größten Golfplatz auf der Insel“, meint von Westernhagen beim Blick durchs Fenster auf die verwaiste

Liegewiese und setzt schmunzelnd hinzu: „So viele Löcher auf dem Rasen hat sonst keiner.“ Es geht um die langjährige Kaninchenplage auf der gesamten ostfriesischen Insel, von der kein Park und kein Garten verschont wird. „Ich muss die Löcher jeden Morgen schnell wieder zuschütten, damit sich kein Gast, vor allem kein Kind, verletzt. Das ist für mich schon eine Art Dauerbeschäftigung geworden.“

Der Hausmeister liebt „sein“ außergewöhnliches Hotel, das von 1915 bis 1917 als Gästehaus des damaligen Wasserflugzeugplatzes Norderney erbaut worden ist. Das spätere Offizierheim des Wehrmachts-Fliegerhorstes kam 1960 über das Verteidigungsministerium in den Besitz des BwSW und wurde im Februar 1961 als erste Erholungseinrichtung des Bundes überhaupt feierlich eröffnet. „Damals hat man im wahrsten Wortsinn auf Sand gebaut“, berichtet von Westernhagen. So entstünden trotz des soliden Baus immer wieder kleinere Risse, die er verfugen müsse, damit vor allem im Keller kein Wasser ins Gebäude eindringen kann. Stolz zeigt er die modern eingerichteten Zimmer wie das mit der Nummer 309: Es wirkt wie ein gemütliches Dachstübchen und ist von der Aufteilung her schon fast ein kleines Appartement – einfach zum Wohlfühlen inklusive eines beruhigenden Ausblicks über das Wattenmeer.

Der gebürtige Bremer von Westernhagen vermisst die Kontakte zu den Gästen aller Altersgruppen. Da gehe es in einem Haus des BwSW persönlicher und familiärer zu als in einem normalen Hotel. „Es gibt immer wieder nette Gespräche.“ Azubi Keno, sein ungewöhnlicher Vorname war einst der eines friesischen Häuptlings, hofft ebenfalls auf eine baldige Wiedereröffnung: „Es ist interessant zu beobachten, wie auch immer wieder neue Freundschaften unter den Gästen aller Altersgruppen entstehen.“ Dann schärft Winkelmann noch ein paar Küchenmesser und sorgt dabei schon einmal für kulinarische Vorfreude: „Wir bieten täglich drei Variationen an: Fisch, Fleisch oder vegetarisch. Die Auswahl ist groß und reicht zum Beispiel von ,Fish and Chips‘ bis hin zum Zander, der Samstag ist Pasta-Tag.“ Er persönlich liebe besonders das norddeutsche Gericht Labskaus: „Bei mir muss da immer ordentlich rote Bete rein.“ Um ausreichend Abstand sicherzustellen, ist ein Saal vorübergehend zum Besprechungsraum der Mitarbeiter umfunktioniert worden.

Auf einer Tafel steht in Schönschrift mahnend: „Lüften! Lüften! Lüften!“ und „Türgriffe desinfizieren“. „Wir sind an dem Punkt, wo unser Haus wieder betriebsbereit ist. An uns soll es nicht liegen“, betont Thomas Beyer. Wie die gesamte Hotellerie und Gastronomie habe die Pandemie auch das Haus Norderoog und seine insgesamt 17 „guten Geister“ schwer getroffen. Sie sind in Kurzarbeit; die meisten warten zu Hause auf dem Festland auf den ersehnten Startschuss. Das betrifft das gesamte, sonst so belebte Seebad mitten im Wattenmeer: Der Fährverkehr ist bis auf einige wenige Verbindungen am Tag ausgedünnt, die Hotels und Geschäfte sind geschlossen, nur kreischende Möwen stören die untypische Ruhe.

Da sei an eine Jubiläumsfeier nicht zu denken, meinen die Beyers. Aber aufgeschoben sei nicht aufgehoben: Das Jubiläum werde im Oktober „nachgefeiert“. Und bis dahin seien wohl auch längst wieder die Gäste zurück.