Geht es uns allen zu gut in der Bundeswehr?
Was ich schon immer einmal sagen wollte
Ein Gastbeitrag von Stefan Schäfer
Liebe Freunde im Bundeswehr-Sozialwerk,
wir stehen vor einer Herausforderung, die im Vergleich zu anderen Organisationen ein echtes „Luxus-Problem“ darstellt: Wir würden nur zu gern unsere Mitglieder, die uns bereits seit 50 oder 60 Jahren treu zur Seite stehen, in jedem Einzelfall besonders ehren. Dem aber stehen zwei eindrucksvolle Zahlen entgegen: In diesem Jahr blicken gleich 582 Mitglieder auf stolze fünf Jahrzehnte im BwSW zurück, 226 weitere auf sogar sechs Jahrzehnte! Eine individuelle Würdigung kann da leider nicht so angemessen ausfallen, wie es jeder einzelne verdient hätte. Seien Sie aber versichert: Wir sind jedem Mitglied, also auch Ihnen, sehr geehrte Leserin oder Leser, unendlich dankbar für Ihr Engagement! Denn mit den Mitgliedsbeiträgen von etwas mehr als 100.000 Menschen können wir – in Ihrem Namen und mit Ihrem Auftrag – jedes Jahr viel Gutes tun.
Das führt mich aber zu zwei provokanten Fragen: Nur etwa jedes dritte Mitglied ist aktive(r) Angehörige(r) der Bundeswehr! Wo sind denn die anderen? Geht es uns allen etwa zu gut? Kann es sein, dass diese 65 Prozent lieber keine vier Euro Mitgliedsbeitrag im Monat ausgeben wollen für den Sommerurlaub einer einkommensschwächeren Bundeswehrfamilie oder für einen behinderten Jungen, der mit seinem Rollstuhl über Spezialschienen in das neue behindertengerechte Auto seiner Eltern fährt? Oder für die dreifache Mutter, die nach dem plötzlichen Tod von zwei nahen Angehörigen eine Auszeit mit ihren Kindern benötigt? Oder für den einsatzgeschädigten und sprachlos gewordenen Soldaten, der mit seiner Familie in einer von uns gesponserten Freizeit wieder den Gesprächsfaden aufnehmen möchte?
Interessieren sich diese 65 Prozent nicht für solche tragischen Fälle? Fühlen sich viele von uns so weit weg vom persönlichen Pech, das doch jeden von uns – wie wir gerade an der aktuellen Flutwelle sehen können - plötzlich und überall treffen kann? Fühlen wir uns unverwundbar? Haben wir kein Helfer-Gen?
Ich komme, weiter provozierend, zum Kern und behaupte: Ginge es uns allen in der Bundeswehr nicht so gut, dann hätte das BwSW viel mehr Mitglieder; es wäre zumindest mehr Menschen in der Bundeswehr bekannt. Wir haben durch Corona gerade etwa 7000 Mitglieder verloren – das sind jährlich fast 350.000 Euro, die uns für unsere Arbeit fehlen. Was aber ist, wenn wir noch mehr Unterstützer verlieren? Wenn auch andere „inzwischen erwachsene Kinder“ haben oder „den Urlaub Dritter nicht mitfinanzieren wollen“ – Erklärungen für Austritte, die ich immer wieder höre?
Wir sind doch weit mehr als nur ein Urlaubsanbieter. Gerade erst haben wir mit Unterstützung der Deutschen Härtefallstiftung in Oberwiesenthal eine Ferienwohnung eingerichtet, in der sich (einsatz-)belastete Angehörige der Bundeswehr gemeinsam mit ihrer Familie bis zu drei Wochen kostenlos erholen können. Daneben bieten wir Freizeiten für junge Menschen mit Beeinträchtigungen an, die deren Eltern einmal im Jahr eine wertvolle Erholungspause verschaffen, und wir helfen gerade bei unverschuldeter Not, wo wir können. Über all das reden wir nur selten, weil die Umstände oft tragisch sind oder eine Veröffentlichung von den Betroffenen nicht gewünscht wird. Dies berücksichtigen wir natürlich – aber dennoch ist es so, dass wir mehrere hunderttausend Euro im Jahr dafür ausgeben. Gerade das macht unseren Verein aus – gelebte Solidarität mit den Bundeswehrangehörigen. Dafür bitten wir jedes Jahr um Spenden, dafür opfern jedes Jahr viele unserer Mitglieder einen Teil ihres Urlaubs. Dafür stellen wir uns an Wochenenden an unsere Werbestände, dafür zahlen Sie, liebe Mitglieder ihren monatlichen Beitrag.
Um eines klarzustellen: Natürlich hat jede und jeder das Recht, nicht Mitglied im BwSW zu sein – und jede und jeder hat auch das Recht, die Gründe für den Nicht-Beitritt selbst abzuwägen. Manche engagieren sich auch für andere gemeinnützige Vereine und wollen ihre Mitgliedschaften nicht unendlich vermehren. Letzteres ist schweren Herzens nachvollziehbar - aber schade finde ich es dennoch.
Werden wir in Zukunft noch eine „Gemeinschaft Bundeswehr“ sein? Oder sind wir das schon heute nicht mehr? Ich weiß es nicht. Aber ich habe den Eindruck, dass auch in der Bundeswehr das Gefühl füreinander mehr und mehr verloren geht – das Wissen darum, dass wir alle dieselbe Kreuzfahrt gebucht haben, die aber eigentlich nur dann richtig Spaß macht, wenn alle unversehrt im Heimathafen ankommen, das Wissen, dass wir – gerade in der Bundeswehr - aufeinander achten und füreinander einstehen sollten.
Ihnen, die Sie gerade diesen Text lesen, danke ich ganz herzlich dafür, dass Sie das Thema „Solidarität in der Bundeswehr“ durch Ihre Mitgliedschaft und Ihre Unterstützung des BwSW so vorbildlich mit Leben erfüllen! Und deshalb habe ich an Sie abschließend eine große Bitte: Sprechen Sie die Menschen in Ihrem Umfeld an, ob in Uniform oder in Zivil. Und seien Sie hartnäckig: Überzeugen Sie sie, endlich auch ein solidarisches Mitglied im Bundeswehr-Sozialwerk zu werden!
Mit herzlichem Gruß
Ihr Stefan Schäfer
Stellvertretender Bundesvorsitzender
Brennt auch Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, ein Thema im Zusammenhang mit dem BwSW auf den Nägeln? Dann schreiben Sie uns: Per E-Mail an bwswpresse@bundeswehr.org oder per Post an Bundeswehr-Sozialwerk, Ollenhauerstr. 2, 53113 Bonn