Fünf Fragen an Oberstarzt Prof. Dr. Peter Zimmermann

15. Januar 2025 Bereich Nord Bereich Ost Bereich Süd Bereich West

Nach fünfzehnjähriger Tätigkeit als Klinischer Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Bundeswehrkrankenhauses Berlin sowie des Psychotraumazentrums des Bundeswehrkrankenhauses Berlin ist Oberstarzt Prof. Dr. Peter Zimmermann seit April 2024 Referatsleiter Einsatzbereitschaft und Unterstützung III 4 und Beauftragter des Bundesministeriums der Verteidigung für einsatzbedingte posttraumatische Belastungsstörungen und Einsatztraumatisierte.

Über seine Erfahrungen, die Herausforderungen und seine Ziele für die nächsten Jahre und die Frage, ob und wie das Bundeswehr-Sozialwerk (BwSW) ihn dabei unterstützen kann, hat sich der Bundesvorsitzende des BwSW, Erster Direktor beim Luftfahrtamt der Bw a.D. Bernd Krämer, mit dem Oberstarzt unterhalten.

Herr Professor, Sie sind seit April 2024 der „Beauftragte PTBS“. Zuvor waren Sie 15 Jahre lang als Klinischer Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Bundeswehrkrankenhauses Berlin sowie des Psychotraumazentrums des Bundeswehrkrankenhauses Berlin für Hunderte von Soldatinnen und Soldaten verantwortlich. Hat Ihre jetzige Aufgabe – trotz ihrer langjährigen fachlichen Erfahrung – Ihren Blick auf das Thema PTBS verändert oder geschärft?

Die Frage könnte ich mit einem „Ja“ direkt und kurz beantworten, will dieses aber gerne etwas erläutern. Ich habe während meiner ärztlichen Tätigkeit aber insbesondere als Leiter des Psychotraumazentrums des Bundeswehrkrankenhauses Berlin mit einem multiprofessionellen Team mit psychiatrischer, psychologischer, sozialwissenschaftlicher und seelsorgerischer Kompetenz durch eine Vielzahl von Forschungsvorhaben insbesondere an der Verbesserung der Behandlung psychischer Erkrankungen mitgewirkt und Impulse für eine verbesserte Therapie und Prävention gegeben. In meiner jetzigen Verwendung muss ich aber stärker als bislang das Gesamtsystem der Streitkräfte im Blick haben. Hierzu stehe ich in einem ständigen fachlichen Austausch insbesondere mit den zuständigen Referatsleitungen im BMVg für die Bereiche Sozialdienst, Versorgung, Psychologischer Dienst, Sanitätsdienst sowie Militärseelsorge.

Welche Aufgaben gehören denn zu Ihrer Tätigkeit?

Als Beauftragter PTBS habe ich eine Sonderrolle im militärischen System sowie im BMVg. Wir können, wenn sich Einsatzgeschädigte an uns wenden, auf allen Ebenen prüfen, ob und wo es Handlungsbedarf gibt, um die Versorgung und Wiedereingliederung der einsatzgeschädigten Soldatinnen und Soldaten zu verbessern. Dabei nehmen wir häufig eine vermittelnde Rolle als Ombudsmann ein, um gemeinsam mit den zuständigen Stellen nach Lösungen zu suchen. Als Beauftragter PTBS bin ich für die Inhalte der Webseite PTBS-Hilfe verantwortlich, auf der wir zielgruppenorientiert vielfältige Informationen und Verweise auf Therapiemöglichkeiten bereitstellen. Darüber hinaus leite und moderiere ich die Arbeitsgruppe 3 im Netzwerk der Hilfe, in der sich aktuell rund 30 Verbände, Vereine, Organisationen und Stiftungen um eine Verbesserung der Situation für Betroffene und deren Familienangehörige engagieren.

Als Referatsleiter EBU III 4 wiederum habe ich fachliche Zuständigkeiten, beispielsweise für das neue im Nachgang zu den Invictus Games 2023 in Düsseldorf geschaffene Arbeitsfeld „Legacy“ sowie tiergestützte Therapien. Legacy umfasst, kurz erklärt, vielfältige Maßnahmen und Angebote, um Einsatzgeschädigten eine würdige Rückkehr in ihre sozialen Beziehungen zu erleichtern, beispielsweise Publikationen und Aufklärungsvorträge.

Derzeit sind bereits mehrere tausend Menschen in der Bundeswehr in irgendeiner Form von Traumafolgestörungen betroffen. Lassen diese Fälle sich kategorisieren? Gibt es Schwerpunkte oder typische Erscheinungsformen?

Psychische Traumafolgestörungen sind ausgesprochen vielfältig, die viel diskutierte Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) ist nur eine der Erkrankungen. Häufig treten auch Ängste und Depressionen auf.

Eine für Einsatzkräfte typische Variante stellt die moralische Verletzung -moral injury- dar. Diese wurde erst in den letzten Jahren umfassender, unter anderem durch das Psychotraumazentrum der Bundeswehr, erforscht.

Leider gibt es noch zu viele Betroffene, die sich erst nach Jahren hilfesuchend an ihren Arzt wenden und die aufgrund der Chronifizierung der Erkrankung dann eine echte Herausforderung für die Therapie darstellen. Als Beauftragter PTBS weise ich daher immer wieder darauf hin, dass man sich schnell Hilfe suchen sollte, wenn man bei sich selber (oder als Rückmeldung des näheren Umfelds) Wesensveränderungen nach einem Einsatz feststellt.

Wie kann ein frühzeitiger Behandlungsbeginn unterstützt werden?

Niedrigschwellige Kontaktangebote, wie beispielsweise die Webseite PTBS-Hilfe, die u. a. ein Kontaktformular enthält, können erheblich zu einer früheren Behandlungsmotivation beitragen. Das Psychotraumazentrum des Bundeswehrkrankenhauses Berlin hat für diese Webseite einen völlig neuen Fragebogen konzipiert und evaluiert, mit dessen Hilfe Angehörige die beobachteten Veränderungen bei den Betroffenen beschreiben können und direkt im Rahmen einer Auswertung Hinweise und Empfehlungen für ein mögliches weiteres Vorgehen erhalten. Dieser Fragebogen wird im Frühjahr 2025 die bereits auf der Webseite PTBS-Hilfe vorhandenen Fragebögen ergänzen und mit einer Informationskampagne möglichst breit bekannt gemacht.

Für uns als Bundeswehr-Sozialwerk ist natürlich die Frage besonders wichtig: Wie können wir bei Ihrer Arbeit an Ihrer Seite stehen?

Zunächst möchte ich mich für die bisherige Arbeit und Unterstützung des Bundeswehr-Sozialwerkes für einsatzgeschädigte Soldatinnen und Soldaten und deren Familien ganz herzlich bedanken. Die Möglichkeit, mich als Beauftragter PTBS an Sie wenden zu können, um in Not befindliche einsatzgeschädigte Kameradinnen und Kameraden prompt und unkompliziert zu unterstützen, ist eine große Hilfe. Daher kann ich nur sagen: Weiter so!

Maßnahmen, wie z. B. die Ausgabe von Urlaubsgutscheinen an betroffene Familien, sind oft ein Lichtblick in ansonsten trüben Zeiten, denn sie vermitteln sehr viel Wertschätzung!

Die von Ihnen angebotene Möglichkeit für eine Auszeit für einsatzgeschädigte Soldatinnen und Soldaten und deren Familien in Oberwiesenthal finde ich großartig!

Ich freue ich mich auf die weitere Zusammenarbeit mit dem Bundeswehr-Sozialwerk.

Herr Professor, ich danke Ihnen für dieses Gespräch. Ich wünsche Ihnen im Namen des BwSW und, mehr noch, im Interesse der Ihnen anvertrauten Betroffenen, viel Glück und Erfolg bei Ihrer Tätigkeit. Wo immer es möglich ist, wird Sie das BwSW gern unterstützen.

Infobox 1

Bei Fragen zum Einsatz-Weiterverwendungsgesetz:

Zentrale Ansprech-, Leit- und Koordinierungsstelle für Einsatzgeschädigte im Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr:
E-Mail: BAPersBwZALK@Bundeswehr.org
Tel.: 02241 15–3368

Ihren örtlichen Sozialdienst finden Sie im Sozialdienstverzeichnis hier:

www.Sozialdienst.Bundeswehr.de

Seelsorgerische Angebote im Rahmen des Arbeitsfeldes Seelsorge für unter Einsatzfolgen leidenden Menschen (ASEM):

E-Mail: EKAASEM@Bundeswehr.org
Tel.: 0173 879 76 53

Den Referatsleiter BMVg EBU III 4 und Beauftragten des BMVg für posttraumatische Belastungsstörungen und Einsatzgeschädigte erreichen Sie:

E-Mail: BMVgEBUIII4@BMVg.Bund.de
Tel.: 030 2004–24951

Auskünfte und allgemeine Fragen zur Wehrdienstbeschädigung (WDB):

Soziales Entschädigungsrecht Unterabteilung VII 2 im BAPersBw: 
E-Mail: SER@bundeswehr.org

Auskünfte zum Soldatenentschädigungsgesetz:

E-Mail: SEG@bundeswehr.org  
Tel.: 0211 959–2800 (Mo. – Fr. von 08:00 bis 11:00 Uhr)
I
nternet: Bundeswehr Suchbegriff: Soldatenentschädigungsgesetz

Infobox 2

Webseite PTBS-Hilfe.de

Mit der Webseite PTBS-Hilfe erhalten Betroffene oder deren Angehörige Informationen über das Krankheitsbild einer Posttraumatischen Belastungsstörung und anderer Einsatzfolgeerkrankungen. Es werden Kontakt- und Therapiemöglichkeiten aufgezeigt und erläutert sowie Ansprechpartner innerhalb und außerhalb der Bundeswehr aufgelistet. Darüber hinaus bietet die Webseite die Möglichkeit, eine Selbsteinschätzung durchzuführen und enthält verschiedene Übungen zum Umgang mit Symptomen. 
Die Webseite PTBS-Hilfe.de ersetzt keine Psychotherapie; sie ist als niederschwelliges Ergänzungs- und Informationsangebot gedacht.

Info

Referatsleiter BMVg EBU III 4 und Beauftragter des BMVg für posttraumatische Belastungsstörungen und Einsatzgeschädigte:

Seit dem 24. November 2010 berät ein Beauftragter PTBS die Leitung des BMVg und unterbreitet Vorschläge, wie in der Bundeswehr die Prävention, die Behandlung, Betreuung und Versorgung von Einsatzgeschädigten verbessert werden kann. Darüber hinaus bietet der Beauftr PTBS mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Hilfe und Beratung für Einsatzgeschädigte.
Im Rahmen der Umstrukturierung des BMVg wurde die Funktion des Beauftragten als Linienreferat in der Abteilung Einsatzbereitschaft und Unterstützung III neu verortet.