Ein starker Partner des Bundeswehr-Sozialwerks
Mit Musik viel Gutes getan: Nach fast 45 Dienstjahren reicht Oberst Christoph Lieder seinen Dirigentenstab weiter
Von Helmut Michelis
Der Militärmusikdienst ist ein sehr wichtiger Partner des Bundeswehr-Sozialwerks (BwSW). Wie viele Millionen Euro in den vergangenen 62 Jahren durch die Auftritte der Musikerinnen und Musiker zusammengekommen sind, ist nicht statistisch erfasst. „In der „Musikeinsatz-Datenbank“ finden sich nur die Konzerte, bei denen das BwSW der offizielle Veranstalter war. Das sind im Jahr sechs bis acht Termine. Aber gefühlt sind es bis zu 25 Konzerte jährlich, deren Erlös oder Teilerlös dem BwSW zugutekommt“, sagt Oberst Christoph Lieder.






Seit Februar 2016 trug er die fachdienstliche sowie truppendienstliche Verantwortung für alle 15 Musikeinheiten der Bundeswehr. Nach einer Dienstzeit von exakt 44 Jahren und neun Monaten ist der Leiter des Militärmusikdienstes und des Zentrums Militärmusik der Bundeswehr jetzt in den Ruhestand verabschiedet worden. Für unser Mitgliedermagazin blickt er auf eine ereignisreiche Karriere in Uniform zurück.
"Ich will Musiker werden."
„Ob Märsche, Klassik oder Jazz – ich bin dankbar, dass es mir erlaubt war, bei der Bundeswehr auf höchstem Niveau diese musikalische Bandbreite abbilden zu dürfen“, sagt der 62-Jährige, der aus einer sehr musikalischen rheinischen Familie stammt. Begeistert habe er schon als Kind Schallplatten von Glenn Miller oder Bert Kaempfert gelauscht, als Jugendlicher dann auch Aufnahmen der BigBand der Bundeswehr. „Die spielten in einer Liga wie die Orchester von Max Greger, Paul Kuhn oder James Last. Ich fand: Die sind cool!“ Schon früh stand für den Jungen fest: „Ich will Musiker werden. Und bereits als 15-Jähriger stand mit Dirigent mein ganz konkreter Berufswunsch fest“, erinnert sich Christoph Lieder. Dazu lernte er verschiedene Instrumente, spielte unter anderem Keyboard/E-Orgel in einer Band, Geige im städtischen Sinfonieorchester und später Klavier in der Bigband der Jugendmusikschule in Langenfeld.

Kapellmeisterstudium an der Robert Schumann Hochschule Düsseldorf
Den Anstoß, für sein erträumtes Berufsziel den Arbeitgeber Bundeswehr zu wählen, gab ein Zeitungsbericht über das Ausbildungsmusikkorps in Hilden bei Düsseldorf. Zunächst hatte sich 1976 sein älterer Bruder dort beworben und berichtete über seine guten Erfahrungen. Das hatte Folgen: Nach dem Abitur 1977 meldete sich auch Christoph Lieder als Freiwilliger zur Bundeswehr. Zum Vorspiel, welches für angehende Dirigenten mehrere Instrumente inklusive Hauptfach Klavier erforderte, erlernte er innerhalb von sechs Wochen auch schnell das Altsaxophon – mit Erfolg. 1980 begann er im Soldatenstatus das Kapellmeisterstudium mit den Hauptfächern Dirigieren und Klavier an der Robert Schumann Hochschule Düsseldorf. „Das war neu. Davor mussten Interessenten für die Kapellmeisterlaufbahn als Reserveoffiziere an einer zivilen Hochschule studieren und konnten danach als Zeitsoldaten in die aktive Laufbahn übernommen werden.“ Es sei dem damaligen Leiter des Ausbildungsmusikkorps, Oberstleutnant Dr. Bernhard Höfele, zu verdanken, dass die Laufbahn eines Musikoffizieranwärters eingerichtet worden sei.
Im Wintersemester 1984/85 legte Christoph Lieder als Leutnant das Kapellmeisterexamen ab und wurde im Rang Hauptmann zunächst 2. Musikoffizier des Stabsmusikkorps der Bundeswehr in Siegburg. Hier dirigierte er zur Begrüßung zahlreicher hochrangiger Staatsgäste aus dem Ausland wie Maggie Thatcher und führte das Kammerorchester, das aus Wehrpflichtigen – „junge, höchst begabte Streicher“ – zusammengesetzt war. Danach erhielt Christoph Lieder eine ganz besondere „Traum-Planstelle“: Bereits im Alter von nur 26 Jahren durfte er das Musikkorps der 1. Gebirgsdivision in Garmisch-Partenkirchen, eines der traditionsreichsten Musikkorps der Bundeswehr, übernehmen. „Es war ein pures Vergnügen.“ Bayern sei ihm seitdem zur zweiten Heimat geworden, nicht zuletzt durch seine spätere Ehefrau, der Tochter seines Vorgängers in Garmisch, Oberstleutnant Heinz Dieter Paul – der Militärmusikdienst, einmal in ganz anderem Wortsinn eine große Familie …

Kulturschock in Düsseldorf
1992 zog es Christoph Lieder dann aber doch wieder in seine rheinische Heimat zurück: zum Heeresmusikkorps 7 (HMK 7) nach Düsseldorf. Und prompt erlitt er eine Art „Kulturschock“. In Bayern war die Bundeswehr in die Bevölkerung eingebettet, selbst zu spontanen Platzkonzerten kamen jeweils Hunderte begeisterter Zuschauer. Einer der ersten Auftritte in Nordrhein-Westfalen war dagegen gleich von den Trillerpfeifen Demonstrierender begleitet. Und auf dem Düsseldorfer Schadowplatz protestierten sogar Geschäftsleute gegen die Bundeswehr-Musiker: angeblich spielten sie zu laut und belästigten die Kundschaft. „Es gab auch schöne Erlebnisse, wenn wir, wie in der Tonhalle, vor ausverkauften Häusern gespielt haben und der Funke zum Publikum gleich übersprang. Das hat wahnsinnig viel Spaß gemacht.“ Trotzdem endete die Zeit in Düsseldorf mit der schwärzesten Stunde seiner Karriere: Die 7. Panzerdivision und damit das Musikkorps wurden nach dem Ende des Kalten Krieges überraschend aufgelöst. „Das war für uns alle unvorstellbar und sehr bitter.“ Das HMK 7 existierte noch bis 2007, „eine entsprechend schwierige Zeit“, berichtet der Oberst.
„Niemals hätte ich mir träumen lassen, irgendwann einmal die BigBand der Bundeswehr leiten zu dürfen oder gar den gesamten Militärmusikdienst bzw. das Zentrum Militärmusik. Im Rückblick bin ich dafür nicht nur sehr dankbar, ich bin auch ein wenig stolz.“ In der Phase bei der BigBand entstanden zwei CDs (2008 und 2011), die Band trat mehr als 20-mal im „ZDF-Fernsehgarten“ oder bei Stefan Raabs „TV total“ live im Fernsehen auf und reiste unter anderem mit Verteidigungsminister Franz Josef Jung in die USA.

„Gute Musik ist gute Musik.“
Christoph Lieder erlebte in seiner Dienstzeit auch einen weiteren Umbau der Militärmusik mit, weg von den Divisionen und Teilstreitkräften. „Das war damals ein Riesen-Aufreger. Aber über diese Zeiten sind wir hinweg. Heute geht es um die Fähigkeit und nicht mehr darum, welche Uniform bei einem Einsatz getragen wird. Die Ausbildung und das Grundrepertoire sind bei allen Musikkorps gleich, die BigBand einmal ausgenommen.“ Er selbst ist ein großer Jazz-Fan, liebt aber alle Musikrichtungen. „Gute Musik ist gute Musik.“ So sei es vornehmste Aufgabe des Militärmusikdienstes, die historische und aktuelle Marschmusik zu pflegen. „Ich ertappe mich beim Wandern manchmal dabei, wie ich Märsche pfeife. Das hat mit deren Rhythmus und Schwung zu tun.“

„Musik ist ein scharfes Schwert, ..."
Ein besonderer Höhepunkt sei für ihn das „Musikfest der Bundeswehr“ in Düsseldorf gewesen, das hoffentlich in diesem Herbst trotz der Pandemie stattfinden könne – nun erstmals nicht mehr unter seiner Stabführung. So habe bei der zweiten Show 2018 John Miles seinen legendären Titel „Music was my first love“ gesungen. „Das war zutiefst beeindruckend. Diese Stimme gibt es nur einmal.“
„Musik ist ein scharfes Schwert, dass sich auf wohltuende Weise direkt in die Herzen der Menschen bohrt“, sagte Lieder bei seinem Abschied. „Musik öffnet Türen, auch in manch diplomatisch heikler Mission. Wir tragen mit dazu bei, das Image der Bundeswehr, und hierbei insbesondere auch das Image des Arbeitgebers Bundeswehr, positiv zu prägen. Wir tragen mit dazu bei, die Bundeswehr in der Mitte unserer Gesellschaft zu verorten. Mit Militärmusik wird die Seele der Bundeswehr, vor allem aber die Seele der Angehörigen der Bundeswehr angesprochen. Fast möchte ich behaupten: Die Militärmusik ist ein Teil der Seele der Bundeswehr.“

Bundeswehr-Sozialwerk stets ein verlässlicher Ansprechpartner
Die Zusammenarbeit mit dem Bundeswehr-Sozialwerk wertet der Oberst als „eine wunderbare Partnerschaft“. Er selbst sei bereits in den Anfangsjahren seiner Karriere dem BwSW als Mitglied beigetreten, „weil ich seine Arbeit als ungeheuer wertvoll erachte, gerade wenn es um die Sorgenkinder in Bundeswehrfamilien geht“. Für ihn sei das BwSW stets ein verlässlicher Ansprechpartner gewesen, „wir sind Verwandte“, beschreibt Christoph Lieder das Verhältnis und setzt hinzu: „Es ist schön, was wir mit unserer Musik gemeinsam erreichen konnten.“




BwSW-Bundesvorsitzender Oberst a.D. Peter Dormanns würdigte in seiner Rede das unermüdliche Engagement des scheidenden Leiters des Zentrums Militärmusik der Bundeswehr für das Bundeswehr-Sozialwerk und zeichnete Oberst Christoph Lieder mit der Ehrennadel des Bundeswehr-Sozialwerks in Gold aus.