„Diving for all“
Tauchen gegen das Trauma - ein Pilot-Projekt für PTBS-belastete Familien
Von Susanne Rehwagen
Mit Unterstützung des Leipziger Ausbildungskommandos begann am 4. September 2021 das Projekt „Diving for all“ am Schladitzer See, nördlich von Leipzig. Tauchen gegen das Trauma einer Posttraumatischen Belastungsstörung, kurz PTBS, soll als neuer Therapieansatz erprobt werden.
Ein ganzes Wochenende verbrachten neun von PTBS betroffene Soldaten mit ihren Familien in Leipzig. Der Grund dafür: Sie hatten sich für das Projekt „Diving for all“ angemeldet. Die Betroffenen leiden unter den Folgen ihres Auslandseinsatzes, sind bis heute traumatisiert und befinden sich aktuell in Behandlung. Durch ihre Lotsen, Sozialdienste, Truppenärzte oder Psychologen wurden sie für das Tauch-Projekt ausgewählt. Besonders ist auch, dass alle durch ihre Familie und enge Angehörige begleitet wurden, denen ebenfalls die Möglichkeit zum Tauchen geboten wurde. Das Ziel dahinter: Zusammen ein Wochenende abseits des Gewohnten verbringen, sich gemeinsam einer unbekannten Herausforderung stellen und dieses positive Erlebnis für den Alltag speichern.

Die Idee für das Projekt und die Organisation übernommen hat Oberst i.G. Matthias Dierks vom Leipziger Ausbildungskommando: „Ich bin selber passionierter Taucher. Im Rahmen meiner Ausbildung zum Tauchlehrer war ich eine ganze Zeit lang auf Gozo, einer kleinen Nebeninsel von Malta. Dort habe ich durch einen Zufall ein ähnliches Programm der britischen Armee kennengelernt, die dort etwas Vergleichbares gemacht haben. Und ich habe einfach diese Idee mitgenommen, weil ich es großartig fand, wie die Teilnehmer, mit denen wir da unter Wasser waren, alle mit einem Lächeln wieder aufgetaucht sind – trotz ihrer Traumatisierung.“
Das Lächeln war auch bei allen Schnuppertauchern zu sehen, als sie aus dem Schladitzer See auftauchten. „Es war sehr interessant, die Unterwasserwelt mal zu sehen. Es war sehr befreiend, angenehm, schwerelos. Ich glaube, ich habe ein neues Hobby entdeckt.“ zog einer der Teilnehmer nach seinem rund 30-minütigem Tauchgang Bilanz.
Soziale Abschottung und Unruhe sind nur zwei von vielen möglichen Symptomen, durch die PTBS nach außen sichtbar ist. Beim Tauchen aber gilt es, Vertrauen in sich selbst, in die eigenen Fähigkeiten und in das Material zu haben, sich auf die Tauchlehrer einzulassen und sich auf seinen „Buddy“ zu verlassen. Dass bei der Begrüßung beim Tauchcenter am Freitagabend ca. 40 Personen anwesend waren, könnte für den einen oder anderen Teilnehmer bereits eine Herausforderung dargestellt haben. Anzusehen war es keinem der Betroffenen. Das weitläufige Gelände, die feinfühlige Einweisung durch die Tauchlehrer und allein das Wissen, dass alle betroffenen Soldaten und Familien mit ähnlichen Alltagsproblemen zu kämpfen haben und dadurch vertrauensvoll sind, schafften für das Projekt optimale Rahmenbedingungen.
Dennoch war eine gewisse Aufregung, auch bei den Familienangehörigen, spürbar. Aber einmal im Wasser, stellte sich bei allen schnell eine innere Ruhe ein. Man sagt, unter Wasser gibt es keinen Stress.




„Diving for all“ wurde vom Psychotraumazentrum des Bundeswehrkrankenhaus Berlin als Pilot-Durchgang begleitet. Bereits in 2022 soll das Tauchprojekt in mindestens zwei weiteren Durchgängen erneut durchgeführt werden. Das langfristige Ziel dabei ist es, das Tauchen in den Therapieplan für PTBS-Betroffene aufzunehmen.
Auch der PTBS-Beauftragte im Bundesministerium der Verteidigung, Generalarzt Dr. med. Ralf Hoffmann, war am Schladitzer See vor Ort: „Wir versprechen uns von dem Tauch-Projekt drei Sachen. Zunächst, dass die Einsatzgeschädigten mal rauskommen und was Anderes machen können – was Neues ausprobieren können. Das soll, und das ist der zweite Aspekt, eine gewisse Herausforderung darstellen. Wo man sich überwinden muss, was einem nicht leichtfällt – insbesondere, wenn man das Tauchen nicht kennt. Und was einem hinterher ein gutes Gefühl geben kann, wenn man es geschafft hat. Das ist der dritte und wesentliche Aspekt.“

Oberst i.G. Matthias Dierks wurde bei dem Vorhaben von zahlreichen Institutionen und Personen unterstützt. Das Tauchcenter ALL-on-SEA am Schladitzer See hielt die Location sowie die Tauchlehrer für zwei Tage bereit. Die gesamte Tauchausrüstung wurde von der Firma MARES/SSI zur Verfügung gestellt. Das Bundeswehr-Sozialwerk e.V. mit dem sog. „Kleinen Netzwerk der Hilfe“ und der Förderverein zur Unterstützung der Arbeit mit Versehrten am Standort Warendorf e.V. (FUAV e.V.) unterstützten das Projekt finanziell, stellten somit die Unterbringung und Verpflegung aller Angereisten sicher. Der Freundeskreis der Bundeswehr Leipzig e.V. sorgte dafür, dass alle Familien am Sonntag noch einen Freizeitpark, den Zoo oder andere Ausflugsziele in und um Leipzig besuchen konnten, so dass das Wochenende für alle einen runden Abschluss fand.
Dierks resümierte am Abend nach dem Tauchgang. „Danke an alle Helfer und Unterstützer, die das Projekt möglich gemacht haben. Ich danke allen Teilnehmenden für die Offenheit, die tolle Stimmung und vor allem den Mut, sich auf unsere Idee einzulassen. Ihr könnt alle sehr stolz auf euch sein!“
Interessenbekundungen für eine Teilnahme in 2022 können bereits jetzt gesendet werden an: AusbKdoDivingForAll@bundeswehr.org