Assistenzhund GRISU schützt die Seele

09. Juni 2021 News Bereich Nord Bereich Ost Bereich Süd Bereich West

Wo das Bundeswehr-Sozialwerk unbürokratisch hilft

Den noch fremden Besucher begrüßt ein schwarzer Blitz an der Haustür – begeistert, neugierig und ungestüm. Doch wenn Grisu seine rote Decke mit der Aufschrift „Assistenzhund in Ausbildung“ und eine spezielle hellgelbe Leine dazu trägt, dann weiß er, dass er jetzt ruhig und konzentriert sein muss. Der junge Flat-Coated Retriever ist der ganze Stolz von Stephan Forster aus Swisttal – und zugleich seine große Stütze: Der Oberleutnant der Reserve erlitt 2005 im Afghanistan-Einsatz bei einem unerwarteten Angriff unmittelbar vor dem Headquarter ISAF eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS). Erst acht Jahre später wurde diese schwere seelische Krankheit, eine verzögerte Reaktion der Psyche auf ein extrem belastendes Ereignis, festgestellt und schließlich offiziell anerkannt.

Für den Luftlande-Sanitäter mit Spezialqualifikation, der insgesamt zehn mandatierte Auslandseinsätze absolviert hat und bei späteren Gefechten auch an der Wirbelsäule und durch einen Trommelfellriss verwundet wurde, begann ein langer Leidensweg, zumal PTBS als Feind im eigenen Kopf für Außenstehende fast unsichtbar und darüber hinaus schwer nachzuvollziehen ist. „Ich war immer zu hundert Prozent Soldat. Ich wollte nie eine Bevorzugung“, betont Forster. Doch dann habe er sich eingestehen müssen: „Familie, Sport, alles ist dir weggebrochen. Mir sind irgendwann die Instrumente ausgegangen, wie ich mit meinem Leben klarkomme.“

Assistenzhund Grisu erkennt die immer wieder auftretenden Anzeichen des schmerzhaften Wiedererlebens – wie heftige Flashbacks oder Angstträume – und die typischen Vermeidungssymptome wie stundenlange stumpfe Teilnahmslosigkeit, noch bevor sich der ehemalige Soldat dessen selbst bewusst wird. Dann greift der Hund sofort ein und unterbricht diese Stimmungsschwankung, in dem er Forster am Ohr knabbert, ihm über das Gesicht schleckt oder sich ihm beruhigend auf die Füße legt. Beginnt der Erkrankte zum Beispiel eine Menschenmenge als bedrohlich zu empfinden, dann stellt sich der Hund dazwischen und führt sein Herrchen behutsam aus der unangenehmen Situation heraus in Sicherheit. „Auch wenn ich zum Beispiel heftiger atme, dann bemerkt Grisu dies sofort und rennt herbei“, berichtet der heutige Regierungsoberinspektor beim Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr mit Sitz in Bonn. Im Notfall Türen zu öffnen und Lichtschalter anzuknipsen lernt Grisu ebenfalls. Auffällig ist, dass er niemals bellt, sondern sich allein durch leises Winseln mitteilt, um den Erkrankten nicht durch Lärm zusätzlich zu belasten. 

Ein Patient muss austherapiert sein, wenn er einen solchen Hund übernehmen will, das heißt: alle Behandlungsmöglichkeiten sind ausgeschöpft, die zu einer Heilung oder zumindest erheblichen Besserung des Gesundheitszustandes führen könnten. Auch die zeitlichen Hürden für einen Assistenzhund sind hoch, die Wartelisten entsprechend lang: Auf ein ausgebildetes Tier muss man drei Jahre warten, es kommen nur bestimmte Rassen dafür infrage, und bei den Prüfungen fällt die Hälfte der ausgewählten Hunde durch. Außerdem sei es sehr wichtig, „dass die Chemie zwischen Mensch und Vierbeiner stimmt. Grisu hat eigentlich mich ausgewählt. Er kam beim ersten Kennenlernen sofort auf mich zugelaufen. Das war Liebe auf den ersten Blick.“ 

Um Zeit zu sparen, entschied sich Forster für die sogenannte Selbstausbildung, die wöchentlich durch eine Trainerin des Deutschen Assistenzhunde-Zentrums (Mainz) unterstützt wird, und übernahm Grisu bereits als Welpen. Jetzt ist er acht Monate alt, doch der Menschen liebende und sanftmütige Retriever hat bereits einen ersten großen Erfolg erzielt: Der ehemalige Fallschirmjäger konnte mit dem gelehrigen Tier an seiner Seite die verschriebenen starken Medikamente gegen PTBS zunächst um die Hälfte reduzieren und inzwischen ganz absetzen, berichtet Forster.

Alles auf gutem Wege also? Nein, nicht ganz. Assistenzhunde, die nicht mit Therapiehunden verwechselt werden dürfen, sondern Tiere sind, die Menschen mit einer Schwerbehinderung im Alltag helfen, sind zwar bei Blinden und schwer Sehbehinderten anerkannt. Aber die Mediziner streiten über ihre Wirkung bei PTBS-Erkrankten. So fallen Assistenzhunde für Gesundheitsstörungen, die die Psyche betreffen, noch nicht unter die Heil- und Krankenbehandlung nach dem Bundesversorgungsgesetz in Verbindung mit dem Soldatenversorgungsgesetz. Die Folge: Trotz ärztlicher Atteste und Empfehlungen musste Stephan Forster alle Ausgaben für Grisu vom Kauf über die Ausbildung, die allein 8.500 Euro kostet, selbst übernehmen. 

Hier half das Bundeswehr-Sozialwerk einmal mehr unbürokratisch und bewilligte einen Zuschuss in Höhe von 1.000 Euro. Weitere 1.000 Euro steuerte die Soldaten- und Veteranenstiftung bei, die ebenfalls zum Netzwerk der Hilfe rund um die Bundeswehr gehört. „Darüber habe ich mich sehr gefreut, allein schon wegen der Wertschätzung, die damit verbunden ist“, betont der frühere Berufssoldat.